Liebhaberfahrzeuge

Get Outta My Car, Get Into My Dreams

Die Autowelt ist eine Männerdomäne. Und doch kann und will sie auf das Weibliche

nicht verzichten. Offensiv in Szene gesetzt, wird dieses Klischee bis heute in einer

Art Endlosschleife erfolgreich reproduziert: Die Grid-Girls im Motorsport gehören

genauso dazu wie die Hostessen auf den Automobilmessen oder der Pirelli-Kalender

in der Autowerkstatt. Das Motiv ist in diesen Fällen stets eindeutig, die Botschaft

durchweg eindimensional.

 

In ihrer Fotoserie „Liebhaberfahrzeuge“ greift Daniela Wolfer diese Konstellationen

zwar auf, aber eben ohne das vordergründige Kalkül von Männerdomänen und

Frauenbildern, Motiven und Botschaften zu bedienen. Stattdessen erzählt sie

Geschichten, die in der Vorstellung vor dem Bild beginnen und erst weit dahinter

enden. Schon der voyeuristische Blick in das rotlederne Interieur eines Mercedes-

Benz SLC vor einer Waldlichtung verdeutlicht, dass der Titel der Serie

„Liebhaberfahrzeuge“ durchaus verschiedene Lesarten zulässt. Dasselbe gilt für die

einzelnen Aufnahmen. Wie sich da zwei Mercedes-Benz-Youngtimer – ihr Kühlergrill

und die Scheinwerfer zu Fratzen erstarrt – über eine nur spärlich bedeckte, am

Boden liegende Frau beugen, hat schon fast etwas menschlich Brutales. In

Siegerpose scheint eine alte S-Klasse über dem Körper einer hingestreckten Frau zu

thronen, die unter dem Trenchcoat Netzstrümpfe trägt. In einem weiteren Bild haben

drei Grazien offensichtlich Mühe, sich an der Flanke eines langgestreckten E-Klasse

Cabrios aufrecht zu halten; ob sie in diesen Zustand eigenbestimmt oder durch

Fremdeinwirkung gelangt sind, bleibt offen.

 

In keiner der Fotografien lässt sich ein Tathergang rekonstruieren. Den Zeitpunkt des

Geschehens vermutet man zwischen spät nachts und den frühen Morgenstunden.

Die Orte, an denen Daniela Wolfer ihre Aufnahmen inszeniert, sind im eigentlichen

Sinne Unorte. Man muss sich solche Gedankengänge und Beschreibungsmuster, die

beim Lesen ihrer Bilder unweigerlich Fahrt aufnehmen, bewusst machen – um zu

erkennen (oder zu vermeiden), dass man willfährig den gängigen Klischees auf den

Leim geht. Denn wer von Netzstrümpfen und Pelzmänteln auf ein einschlägiges

Milieu schließt, hat vielleicht schon verloren. Wer hinter den Posen Tathergänge

sehen will, ist möglicherweise auf dem Holzweg. Und wer in Männerdomänen und

Frauenbildern eine Täter-Opfer-Beziehung erkennen mag, hat sich bereits selbst

entblößt.

 

Natürlich ist es ein inhaltlich schmaler Grat, auf dem sich Daniela Wolfer mit ihrer

Serie „Liebhaberfahrzeuge“ bewegt. An beiden Seiten dieser Gratwanderung könnte

sie abrutschen. Dass sie es nicht tut, sondern es den Betrachtern überl.sst, macht

die Sache nicht einfacher, aber dafür umso spannender. Man muss sich an jedem

einzelnen Motiv und jedem kleinen Detail des eigenen Blicks und der eigenen

Haltung vergewissern. Das war in ihren Malereien schon so, in denen schillernde

Menschen, Milieus und deren Habitus in detailreichen Nuancen buchstäblich aus den

Leinwänden platzten. In ihrer jüngsten Serie „Liebhaberfahrzeuge“ hat sie diesen

realen und assoziativen Raum mit fotografischen Mitteln erweitert. Und zwar nicht

nur medial, sofern man in ihren Fotografien durchaus malerische Elemente erkennt.

Sondern vor allem motivisch und atmosphärisch: Mit offenem Visier und klarem Blick

inszeniert sie undurchschaubare Motive, die man im positivsten Sinne zwielichtig

nennen kann.

Ralf Christofori